Sonntag, 24. Oktober 2010

Multiplicity

Ich habe erst kürzlich meinen Beitrag "Ich war, Ich bin, Ich will" aufgeschrieben, der aber aus mir nicht ganz nachvollziehbaren Gründen im Juni zu finden ist...

Ich habe kurz den sogenannten Walk-In angesprochen, wenn mehrere Seelen in einem Körper wohnen. Das Walk-In bezeichnet eigentlich dass weitere Seelen dazugekommen ist. Diese kann dann die alte Seele Verdrängen, mit ihr im Körper wohnen, oder was die ganze Seelenwelt eben kennt. Aber ich will hier über das Leben mit mehreren Seelen einen Beitrag schreiben, bzw. habe jemand aus dem Nexus-Draconis gefragt, ob er mir eine Art Erfahrungsbericht schreiben könnte. Meines Wissens nach sind nicht alle Seelen in seinen Körper Drachenseelen, aber das soll nicht weiter stören - mehrere Seelen sind eben mehrere Seelen.

Ein Crashkurs in Multiplicity Varis bat mich, einen Text über Multiplicity zu schreiben.

Das ist ein ziemlich großes Thema und ich könnte hier leich ein Buch vollkriegen. Aber fangen wir einfach mit den Basics an.


Multiplicity oder Plurality bedeutet, dass in einem physischen Körper mehrere Personen leben. "Du bist doch schizophren", werden jetzt einige sagen. Also erstmal ist Schizophrenie was ganz anderes; was du meinst, wäre Multiple Persönlichkeitsstörung. Dann wird es schon komplizierter. MPD kann eine Ursache für Multiplicity sein, muss aber nicht. Die Psychologie ist heutzutage nicht mehr der Meinung, dass dieser Zustand eine Krankheit ist, die man um jeden Preis kurieren muss, solange der Betroffene (bzw. die Betroffenen, aber so weit sind die Psychologen auch noch nicht...) sich wohl fühlt und sozial "funktioniert". Wir unterscheiden also zwischen Multipler PersönlichkeitsSTÖRUNG, also Krankheit, und gesunder Multiplicity.


Wie kann so etwas gesund sein, werden sich einige fragen. Nun, wie kann es gesund sein, ganz allein in einem Körper zu stecken und alles ohne die Unterstützung von "Mitbewohnern" (ich mag den englischen Begriff "headmates") erledigen zu müssen? Es ist alles nur Ansichtssache.

Die Multiplicity kann mehrere Ausprägungen haben, von der unerklärlichen Stimme im Kopf bis hin zu Zeitperioden, an die man sich nicht mehr erinnern kann. Manche Systeme (System = alle Personen in einem Körper) können selbst bestimmen, wer zu welchem Zeitpunkt die Kontrolle über den physischen Körper hat, andere nicht, und bei wieder anderen hat immer dieselbe Person die Kontrolle. Auch die interne Kommunikation kann von null bis stark empathisch gehen.

Soviel zur Theorie. Praktisch gesehen, findet eine Person also irgendwann einmal heraus, dass sie nicht alleine ist in ihrem Körper. Das kann im Kindesalter genauso passieren wie viel später. Tatsächlich haben die meisten Kinder in ihrem Leben unsichtbare Freunde, die sie aber im Laufe des Erwachsenwerdens vergessen. Oder auch nicht. Ein oft angegebener Grund (und laut Psychologen der einzige) ist ein traumatisches Erlebnis, wodurch sich die Person eine zweite erschafft, um damit fertig zu werden. Ich kenne aber auch Multiples ohne Trauma.

Dann ist die Frage, ob man den/die andere(n) als Person anerkennt. Das hat in meinem Fall mehr als ein Jahrzehnt gedauert. Und dann? Im Grunde ist es wie eine WG. Man stellt Regeln auf, erkundet die Interessen der anderen und versucht sich gegenseitig nicht auf den Keks zu gehen. Dabei kann man schon mit kleinen Dingen Unfrieden stiften, zum Beispiel Musik hören, die jemand anderen stört. Es gehören also eine große Portion Diplomatie und viele Kompromisse zum Leben eines multiplen Systems.


Auch die Zeit, die jeder "an der Front" bekommt, will gut eingeteilt sein. Für Außenstehende muss man natürlich als Individuum auftreten, was die Sache ziemlich kompliziert machen kann. Wenn eine (wahrgenommene) Person einmal mit Dialekt redet und einmal ohne, im einen Moment Fleisch isst und im nächsten Vegetarier ist, dann verwirrt das natürlich. Aber man kann schlecht jedem sagen, dass da in Wahrheit mehrere Personen am Steuer sind. Von der Täuschung, dass man in Wirklichkeit ein Wesen ist, hängen Jobs, Beziehungen und vieles mehr ab.


Aber das klingt schlimmer als es ist. Das Leben besteht aus Rücksicht und Kompromissen, auch nach außerhalb. Teil eines multiplen Systems zu sein hat auch so seine Vorteile. Zum Beispiel kann man sich mal zurückziehen, wenn es einen nicht freut, etwas bestimmtes zu tun, und jemand anderen ran lassen, der das gern macht. In unserem Fall gehen Astraea und ich gern auf Parties und Familienfeiern, während kahoku die gar nicht ausstehen kann. Danica geht lieber auf Fantasiereisen, verwendet den Körper aber, um Harry Potter zu lesen. Unser Neuzugang Del sucht noch nach seiner Nische. Ja, es kann gut sein, dass Personen im Lauf der Zeit dazukommen oder auch gehen. Wie in einer WG eben.


*Astraeus vom Reannagan-System